von Franziska Knabenreich
Immer wieder trifft man Hundebesitzer, die ihre Hunde im Sommer scheren lassen – im schlimmsten Fall sogar bis auf die Haut. Die Begründung ist immer die gleich: „Ich lasse ihn abscheren, weil er dann nicht mehr so schwitzt.“ Oder „mein Hund fühlt sich nach dem Scheren viel wohler“. Viele Hundebesitzer haben den Eindruck, dass es dem Hund aufgrund seines dichten und langen Fells schnell im Sommer zu warm wird – da liegt es nahe, den Hund von all seinem plagenden Fell zu befreien.
Tatsache ist aber, dass der Hund, anders als der Mensch, nicht über die Haut schwitzt. Der Hund reguliert seinen Temperaturhaushalt jedoch hauptsächlich über die Zunge, indem er hechelt, oder er schwitzt über die „Fußsohlen“.
Hunde, die ein zweischichtiges Fell besitzen, wie z.B. Golden Retriever, Leonberger, Möpse, Hütehunde, Labradore, Schäferhunde oder Huskys, sollten niemals abgeschoren werden.
Zweischichtiges Fell (engl. „double coated“) besteht aus Deckhaar und toter Unterwolle.
Es schützt vor Sonne, Hitze, Nässe und Schmutz. Die Unterwolle dagegen sitzt direkt an der Haut. Wird sie nicht regelmäßig und vollständig ausgebürstet, ist dem Hund bei hohen Temperaturen tatsächlich zu heiß, denn sie verhindert, dass das Fell bis auf die Haut durchlüftet wird und wie eine natürliche Klimaanlage fungiert.
Entfernt man nun durch eine Schur das Deckhaar, kann das Fell seine wichtigste Funktion nicht mehr erfüllen und die Haut vor Umwelteinflüssen nicht mehr schützen. Auch Parasiten wie Mücken haben „freie Fahrt“, und auch für Zecken ein eine Schur ein Wegbereiter, um leichter anzudocken.
Die tote Unterwolle wird durch das Scheren allerdings nicht entfernt und bleibt weiterhin an der Haut stecken. Eine Schur bietet dem Hund höchstens ganz kurzfristig eine Erleichterung, denn das eigentliche Problem – die heiße, tote Unterwolle – wurde nicht entfernt. Stattdessen fehlt nun auch noch das Deckhaar, das vor Sonnenbrand schützt.
Dazu kommt, dass das Fell durch wiederholtes Abscheren immer dichter und noch mehr filzende, wärmende Unterwolle produziert wird – das Problem mit der Hitze und dem Fell wird also mit der zeit immer schlimmer.
Die Devise lautet also: Unterwäsche ausziehen! Oder laufen Sie im Sommer noch mit ihrer Skiunterwäsche rum?
Um dem Hund eine nachhaltige Erleichterung zu verschaffen, sollte man mit den richtigen Bürsten und Kämmen das Fell von der alten Unterwolle befreien, damit die Haut wieder atmen kann. Nicht die Länge des Fells spielt für das Wohlsein des Hundes eine Rolle, sondern die freie Luftzirkulation zur Haut.Es ist um ein Vielfaches wichtiger und sinnvoller, das Fell an der Haut gesund und frei von toter Wolle zu halten, als zentimeterweise das Fell in der Länge zu kürzen.
Was ist also zu tun?
Je nach Fellstruktur sollte der Hund zunächst einmal komplett durchgebürstet werden. Hierfür empfehle ich die „ActiVet Coat Grabber“ – Bürste:
Sie löst Verfilzungen und lockert und entfernt fest sitzende Unterwolle. Anschließend sollte man mit einem Kamm die restliche Unterwolle entfernen. Auch der „Coatking“,
eine Art Krallenkamm, entfernt die Unterwolle sehr gut, aber Vorsicht: bei unsachgemäßem und unvorsichtigem Einsatz könnten Sie Ihren Hund damit verletzen. Zum Schluss sollte man das lose Deckhaar mit einer Gummibürste, zum Beispiel dem „Zoom Groom“ entfernen.
Bei längerem Fell wie Leonbergern, Golden Retrievern, Huskys, Hütehunden, Schäferhunden etc. sollte man übrigens den allseits beliebten „Furminator“ nicht verwenden, weil dieser nicht die Unterwolle entfernt, sondern das längere Haar kappt. Dadurch entsteht Haarbruch (Spliss!) im Fell. Der Furminator ist nur bei Hunden mit sehr kurzem Fell, wie Mops oder Labrador zu empfehlen.
Für meinen Mops benötige ich ca. 30 bis 50 Minuten, um ihn komplett von der toten Unterwolle zu befreien. Bei einem Labrador brauche ich ca. 60 bis 70 Minuten. Golden Retriever, Huskys, Schäferhunde oder Leonberger sind da schon aufwändiger – unter 90 Minuten wird das nichts mit der Unterwollenentfernung. Einen Hund von seiner toten Wolle zu befreien ist erst einmal sehr aufwändig und zeitintensiv – aber es lohnt sich. Ihr Hund wird sich deutlich wohler fühlen, sein Fell glänzender und er wird deutlich weniger riechen.Je nachdem wie viel Unterwolle der Hund produziert, sollte man komplette, professionelle Fellpflege drei bis sechs Mal im Jahr machen – oder machen lassen. Bei regelmäßiger Fellpflege wird das haarige Problem Ihres Hundes im Laufe der Zeit immer weniger – und er produziert weniger Unterwolle.
Gut für den Hund, und gut für Sie.
Die „Hundefrisöse“ Franziska Knabenreich ist professionelle Groomerin (das bedeutet, sie kann jeden Hund entsprechend des Standards „zurichten“, weiß, was man mit Terrierfell macht, wie man haarenden Hunden Herr wird und wie sich das Fell von Schnauzern anfühlen soll). Gelernt hat sie bei Gordon (http://hundepflege.gordon-hundeshop.de/natuerliche-fellpflege/) in Wiesbaden und arbeitet dort noch immer als selbstständige Groomerin. Sie ist absolut gegen das Abscheren von Hunden.
Außerdem hat sie bei dem Hundefrisör Jonathan David in Florida gelernt, der auch die Hunde von Mariah Carey, Ralph Lauren oder Kevin Kline „macht“. „Mir wurde plötzlich bewusst, dass die Deutschen in Sachen Fellpflege noch Einiges zu lernen haben. Die Hundepflege ist in den USA viel weiter als bei uns“, sagt sie. „Dort gibt es sehr wenig ungepflegte, haarende, verfilzte oder müffelnde Hunde, denn die Amerikaner bringen ihre Hunde regelmäßig, ja einige sogar wöchentlich, zum Hundefriseur. Ich wünsche mir, dass eines Tages auch den deutschen Hundebesitzern bewusst wird, wie wichtig gute Fellpflege ihren Hund ist.“